Melina schlug die Augen auf.
Ihre Augen waren von einem wunderschönen eiskalten, bohrenden blau.
Alles an Melina war eisig und kalt. Und genau aus diesem Grund war sie so unbeliebt im Waisenhaus. Die anderen Kinder hatten Angst vor ihr, auch wenn sie garnicht böse war.
Sie wusste ja nicht mal was böse sein bedeutet. Sie wusste überhaupt nichts über Gefühle. In Melinas Herzen war nur gähnende Leere. Und bis jetzt hatte es noch niemand geschafft diese Leere zu füllen. Aber es hatte auch noch nie wirklich jemand versucht.
Früher schon... da war sie ja noch ein niedliches, kleines Mädchen gewesen, zwar ohne Gefühle aber trotzdem hatten alle gehofft dass würde sich irgendwann ändern. Hatte es nicht.
Melina war gefühllos geblieben. Sie hatte sich kein bisschen verändert. Aber sie verstand das natürlich nicht. Schließlich wusste sie ja nicht was die anderen damit meinten, wenn sie sagten: "Hat Melina denn keine Gefühle?". Wie sollte sie es auch verstehen?
Moritz schnarchte nicht weit von ihr leise.
Sie blinzelt und setzte sich in ihrem Bett auf. Als sie auf den Wecker sah blieb ihr Gesichtsausdruck unverändert und steif. Es war 06:01 Uhr. Vor einer Minute hätte Melina aufstehen müssen. Also stand sie auf und begann mit ihrer täglich gleichbleibenden Morgenroutine.
Als erstes weckte sie die anderen Kinder, die ohne sie einfach weiter schlafen würden. Die Heimleiterin hatte Melina diese unbeliebte Aufgabe erteilt, da keiner wagte sich Melina zu wiedersetzen.
Im Bett gleich neben Melinas schlief die 13-jährige Lena, sie war immer zu allen nett und versuchte gelegentlich auch Melina ein Lächeln zu entlocken. Natürlich ohne Erfolg.
Im nächsten Bett schlief der freche kleine Moritz. Er war 5 Jahre alt und ein spitzbübischer Rabauke.
Dann gab es natürlich noch die Zwillinge Luke und Emma. Sie waren 10 Jahre alt und immer gut gelaunt.
Und zu guter Letzt gab es da noch die mürrische Tessa. Sie war 15 Jahre alt und ließ keine Gelegenheit aus an den anderen herum zu meckern. Selbst Melina blieb vor ihren Sticheleien nicht verschont. Aber sie verstand das alles ja sowieso nicht, also machte es ihr auch nichts aus.
Als alle wach waren war die Stille, die noch wenige Minuten zuvor im Raum geherrscht hatte, wie weggeblasen.
Alle redeten durcheinander.
Tessa fluchte vor sich hin, Moritz hüpfte auf seinem Bett auf und ab, als wollte er, dass das Bett zerbrach. Lea versuchte verzweifelt ihn vom Bett zu bekommen, während Emma über die Situation im Schlafsaal scherzte und lachte. Bald kugelte sich Luke, zusammen mit seiner Schwester, vor lachen auf dem Boden, während Emma ihn ordentlich kitzelte.
Mit einem weiteren Blick auf die Uhr stellte Melina fest dass es Zeit war sich waschen zu gehen. Ihr eiserner Blick richtete sich wieder auf ihre Mitbewohner. Langsam, als hätte sie alle Zeit der Welt, öffnete sie den Mund um die anderen aufzufordern ins Bad zu gehen.
"Es ist Zeit", Melinas Stimme erinnerte an zu Boden prasselnde Eissplitter, die alle anderen Geräusche weg fegten. Alle starrten Melina an. Keiner gab einen Mucks von sich. Dann kam wieder Leben in die Gruppe und alle rannten ins Bad, als würden sie um ihr Leben laufen.
Nur Stella lief gemächlich schlendernd auf die Tür zu. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal zu Melina um.
"Ich hasse dich, Melina. Und bis jetzt hat keiner, den ich hasse lange gelebt", fauchte sie noch und schlug die Tür mit einem dumpfen Knall zu.
Beim Frühstück redeten alle schon wieder fröhlich miteinander und lachten. Alle außer Stella natürlich. Die saß einfach nur stumm da, knabbert an einer Scheibe hartem, trockenem Brot, und stierte böse vor sich hin.
Melina aß wie immer Haferflocken mit Milch und Kräutern. Sie hatte sie zu einem eklig braunen Brei vermixt. Dazu trank sie ein kühles Wasser mit Eiswürfeln.
Als sie fertig gegessen hatte brachte sie ihr Geschirr weg und forderte die anderen auf schneller zu essen. Das Tat sie nicht etwa weil sie ungeduldig war, nein sie Tat es weil die Heimleiterin es von ihr verlangte.
Nachdem alle fertig gegessen hatten und ihr Geschirr weggebracht hatten führte Melina sie auf die Wiese vor dem Heim. Es waren Ferien, weshalb die Kinder ihre Freizeit an der frischen Luft verbringen sollten. So verlangte es die Heimleiterin. Also Taten sie das auch.
Nur wenige Minuten später spielten die Kinder Fangen.
Melina verstand nicht was daran so toll sein sollte auf einer Wiese herunzurennen und zu versuchen sich gegenseitig zu fangen.
Da löste sich Stella von der Gruppe und kam auf Melina zu. Keines der anderen Kinder schien es bemerkt zu haben.
Stella bedeutete Melina ihr zu folgen und ging in Richtung Schuppen. Der Schuppen stand etwas abseits des Heims und war perfekt geeignet um ungestört mit jemandem zu reden.
Mit einem undurchdringlichen Blick stieß Stella die Tür auf und trat ein. Völlig uninteressiert folgte Melina ihr.
"Ich habe doch gesagt, dass keiner meinen Hass überlebt", Stella lachte und holte etwas langes und glänzendes hinter ihrem Rücken hervor. Ein Messer.
"Dein letztes Stündlein hat geschlagen, Melinachen!", säuselt Stella und lachte ein abgrundtief böses Lachen.
Melina blieb vollkommen ungerührt.
"Was soll das? Nie zeigst du Emotionen oder Gefühle! Mach schon! Sag irgendwas! Flehe mich an dich am Leben zu lassen!"
"Warum sollte ich das tun?", fragte Melina.
"Weil...", Stella schnaubte, "Ach, was weiß ich!"
Sie begann wieder zu lachen. Dann trat sie einen Schritt auf Melina zu und holte mit dem Messer aus.
"Stirb du Monster!"
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