rebecca-wolff Rebecca Wolff

Bastian hatte sein halbes Leben einen Fehler begangen.


Kurzgeschichten Nicht für Kinder unter 13 Jahren. © Eigenes Werk

#hinter # #mauern
Kurzgeschichte
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Abgeschlossen
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Teil 1.

Es war Mittwoch. Jener Mittwoch als ich Anne Marry das erste und letzte Mal in meinem Leben in den Armen halten würde. Es war eine Begegnung die mir noch lange im Gedächtnis bleiben würde. In der ich mich in meinen alten Tagen noch mit einem milden Lächeln entsinnen würde. Einem milden und traurigen Lächeln. Fakt war, ich hatte sie oft beobachtet. In der U Bahn, in der Straßenbahn, im Zug, an der Uni. Ich habe sie geliebt nur würde ich das niemanden sagen. Sie war eine zierliche blonde Medizin Studentin. Und wer war ich? Ich war obdachlos. Ich hatte meine Familie verloren. Meine Eltern waren bei einem schweren Autounfall gestorben sowie mein Bruder Sam. Sie hatten mir kein Vermögen hinterlassen .Mir war nichts anderes übrig geblieben und ich war obdachlos geworden. Traurige Geschichte. Aber was sollte man machen? Heulen? Nein, das war viel zu erniedrigend um in eine solche Verzweiflung auszubrechen, sowieso wenn man verliebt war. Mein Onkel Jovan zu dem ich jeden Sonntag zum Mittagessen eingeladen war, der mich mit in die Kirche nahm, sagte einmal: "Bastian?", und hatte sich eine Zigarette angezündet."Hhhm?" "Bist'n braver Junge, tut mir leid dass du 'n Gammler geworden bist. Bist eben faul." Da waren Jana und Elisabeth auf die Terrasse getreten. Seine Zwillingstöchter. Geschminkt und hergerichtet wie zu einer Party. "Wie gehen zu Jonas und Erik und Annabella." In dem Moment hatte mich Elisabeth missbilligend gemustert. "Wann geht der denn wieder?", bemerkte sie nicht unabfällig. Jovan hatte den Qualm seiner Zigarrette genüsslich ausgepustet und mir eine angeboten. Dankbar hatte ich sie ergriffen. Sonst musste ich wegen dem Dingern immer betteln gehen. "Dann, wenn du nicht mehr danach fragst. Los, ab mit euch. Ich will euch hier heute nicht mehr sehen." Die knapp achtzehnjährigen Mädchen verschwanden nicht ohne den Geschmack von Trauer in der Luft zu lassen. Ich schämte mich. Schämte mich für mein Leben. Dass ich ein "Gammler" war und faul war, wie Jovan sagte. Mir brannten Tränen in den Augen als ich zurück ging. Ich wollte was aus meinem Leben machen. Nur was wenn mir doch vielleicht niemand Arbeit gab. "Mach es, geh die Gefahr ein zu scheitern oder zu gewinnen und dir Arbeit zu suchen. Hauptsache du hast es riskiert, du Esel." Hundert Gedanken schwirrten mir an dem Tag durch den Kopf. Betteln ging ich heute nicht mehr. Ich zerbrach mir den Kopf und dachte bis zum nächsten Morgen nach. Dann suchte ich mir Arbeit. Ich wollte zu den besseren Klassen gehören. Doch das war ein langer Weg. Nach einer Woche hatte ich nach vielen Absagen endlich Glück gehabt und einen Arbeitsplatz gefunden. Bei der Müllabfuhr. Dann nach einem halben Jahr im Recyclinghof. Dann im Büro. Ich hatte alles für sie getan. Für die junge Medizinstudentin Anne Marry Watson. Die Schwester der besten Freundin von Elisabeth, Annabella. Mit jedem Atemzug in der ich sie sah, träumte ich mir ein Leben mit ihr vor. Einem Haus, Kindern, einem Garten und vielleicht einem Hund. Doch dann als ich anfing die Karriereleiter hochzuklettern, vom kleinen "faulen Gammler" bis zum Manager, sie inzwischen Ärztin, dann Chefärztin zerbrachen meine Träume. Es war Mittwoch. Ich traf mich mit der Frau die mir anfangs mit Spott und Abscheu begegnet war. Der Frau für die ich alles getan hatte. Wie gingen in ein Lokal. Danach in mein teures Loft-Haus. Am Abend starb sie in meinen Armen bei einem schweren Erdbeben. Meine Welt zerbrach innerlich. Ich hatte gefühlt ALLES für diese Frau getan und jetzt? Was war jetzt? Viele Jahre später als ich ein Mann in dem sechzigern war begriff ich dass man im Leben für sich kämpfen musste nicht für andere. Wenn man etwas tat, machte man das für das eigene "Wohlergehen" in dem Sinne. Nicht für das der anderen. Ich hätte in dem Fall die Karriereleiter für mich hochklettern sollen nicht für Anne Marry. Das war mein Fehler gewesen. Ich hätte mich viel mehr selbst respektieren sollen. Ich trug doch selbst mein eigenes Leben in meinen Händen, niemand sonst. Ich bereute es. Die Mauern hatte ich mir selbst gebaut. Es war mein lebenslanger Fehler gewesen.

22. Juni 2023 16:09 0 Bericht Einbetten Follow einer Story
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Das Ende

Über den Autor

Rebecca Wolff Rebecca Wolff ist auf der schwäbischen Alb geboren, wohnhaft im Kreis Stuttgart. Schreiben ist ihr Hobby. Es ist wunderbar in die Welt des Schreibens einzutauchen und auch zu lesen. Sie denkt gerne über den Sinn des Lebens nach, hinterfragt auch vieles. Ihre eBooks beschreiben meistens das Leben.

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